Klettern im Gesäuse

Schon mal im Gesäuse gewesen? Nein? Dann geht´s dir so wie uns: Tobias, Michael, Rudi, Uve und Big. Diese Fünf wollten eigentlich zum Klettern in den Wilden Kaiser. Dort liegt dieses Jahr aber noch so viel Schnee, dass schon der Zustieg eine Herausforderung gewesen wäre. Also musste (wie letztes Jahr, wo wir aufgrund des Wetters nicht in den Kaiser konnten) ein Plan B her, den Tobias mit dem Admonter Kalbling im Gesäuse gefunden hat.
Das Gesäuse ist eine Gebirgsgruppe in den Nördlichen Kalkalpen in der Steiermark. Seit etwa 200 Jahren schreibt das Gesäuse Alpingeschichte und als wir am Freitag Abend nach 6,5 Stunden Fahrt (ja, wir wussten, dass die Pfingstferien beginnen, aber da muss man halt durch…) in Admont im Norden der Obersteierrmark ankommen, bekommen wir einen Eindruck, warum. Über eine Mautstraße fahren wir komfortabel direkt vor die Klinkehütte auf 1504 m hoch und erblicken zum ersten Mal unser Kletterziel: den Admonter Kalbling. Was für ein Klotz von einem Berg!
Die Klinkehütte ist wunderschön gelegen und bietet allen Komfort (12 € Übernachtung inklusive warmer Dusche) und der freundliche Hüttenwirt ist sehr um unser Wohl bemüht. Nach einem späten Abendessen und Planung für den nächsten Tag gehen wir voll Vorfreude auf den nächsten Tag ins Bett.

Der Samstag Morgen zeigt sich bewölkt, aber es soll trocken bleiben. Auch unterhalb des Kalbling liegen noch einige Schneefelder, so dass der Hüttenwirt uns empfiehlt für den Zustieg die Steigeisen mitzunehmen. Um 8 Uhr gehen wir los, kurz unterhalb der Felswand muss ein steiles Schneefeld gequert werden, aber der Schnee ist weich genug, sodass es gut ohne die Eisen geht. Ziel für den ersten Tag ist der Südgrat (Pause-Tour „im schweren Fels“). In der Beschreibung steht was von Modetour und überlaufen, davon spüren wir nichts, wir sind alleine mit unserer Dreier- und Zweierseilschaft in schönem festen Fels, toller Verschneidungs- und Rampenkletterei unterwegs. Die Schwierigkeiten bewegen sich im III. – IV. Grad, gerade richtig für die erste Alpinklettertour des Jahres! Die erste Seillänge mit noch kalten Fingern fordert uns aber kurz unterhalb des ersten Standes doch mit einer abgespeckten IV+ Stelle heraus. Dann geht es moderat weiter bis zur Schlüsselstelle der Tour in der 5. Seillänge: ein extrem glatter Quergang (VI-). Gut abgesichert kann die Stelle aber problemlos A0 überwunden werden. Nach wunderschöner Kletterei stehen wir nach 11 Seillängen glücklich auf dem Gipfel des Kalbling, gönnen uns eine Pause und genießen die Aussicht. Der Abstieg erfolgt über den Normalweg und gegen 14 Uhr kommen wir an der Westwand vorbei und überlegen, ob wir dort noch eine Tour machen. Zur Auswahl stehen z.B. die Pelikan/Riebe (IV-) oder Herbst/Scholz (IV+). Michael, Rudi und Uve heben sich die Pelikan/Riebe für den nächsten Tag auf und steigen ab zur Hütte, Tobias ist ambitioniert und schlägt Big den anspruchsvollen Südwestpfeiler (VI+) vor, weil man über den auch wieder schnell abseilen kann. Schon die erste Seillänge überrascht mit einer glatten sehr schwierigen Platte – VI+? Irgendwie fühlt sich alles sauschwer an, aber Tobias steigt alles bravourös vor! Der Hammer in der Tour ist ein langer, ausgesetzter Quergang, sehr alpin, aber superschön und nach anfänglicher Skepsis erstaunlich gut machbar. Nach 6 Seillängen kommt man wieder an den Stand nach dem Quergang am Südgrat. Wir seilen drei Mal ab und gehen über die Schneefelder auf direktem Weg zurück zur Hütte. Was für ein toller Klettertag!

Der Sonntag lockt uns mit Sonne vor die Tür. Den Zustieg kennen wir ja jetzt schon und tags zuvor haben wir uns den Einstieg zur Pelikan/Riebe bereits angeschaut. Michael steigt die Tour mit Rudi und Uve. Tobias und Big haben sich ein besonderes Schmankerl vorgenommen: den Scheiblehnerriss (VII+), der nach der 4. Seillänge auf die Pelikan/Riebe trifft, wo wir dann alle wieder zusammen kommen.
Die Pelikan/Riebe durchquert die Westwand in sieben Seillängen über eine Rampe und bietet schöne Kletterei im IV. Grad, in der letzten Seillänge nochmals eine spannende, sehr abschüssige Querung.

In der schattigen Westwand kämpfen wir in der ersten Seillänge mit den kalten Fingern. Der Scheiblehnerriss startet auch gleich knackig mit einer VI- und mal wieder einer Querung, dann moderat zum ersten Stand. Nach Fingerauftauen geht die zweite Seillänge besser, die Dritte ist dann die Hammerseillänge in steilstem Gemäuer mit VII+. Zum Glück gibt es in dieser Seillänge um die 20 Haken, alte, uralte und neue gebohrte, sodass sie auch A0 geklettert werden kann. Endlich muss sich auch Tobias mal anstrengen 😉 und kommt glücklich am 3. Standplatz an. Big im Nachstieg zieht sich mit allen zur Verfügung stehenden Haken und Hilfsmittel irgendwie hoch – puh, wie kann man so was klettern? Zum Cooldown noch eine leichte Seillänge bis wir dann wieder auf die Pelikan/Riebe-Kletterer treffen. Das Timing hätte nicht besser sein können. Wenig später kommt auch Michael im Vorstieg an den Stand und wir klettern nun gemeinsam zum Gipfel. Nach kurzer Rast in der Sonne geht´s wieder zurück zum Einstieg und zur Hütte.

Noch schnell ein Abschiedsgetränk auf der netten Klinkehütte und dann ab on the road again. Die Rechnung ging auf. Am Pfingstsonntag fahren nicht so viele wieder zurück, sodass wir für die Rückfahrt nur 4 1/4 Stunden brauchen.

Wir sind uns einig: die lange Fahrt hat sich gelohnt! Der Kalbling bietet fantastische Routen, wir haben die Kletterei, Atmosphäre und Landschaft sehr genossen! Last but not least: eine tolle, harmonische Gruppe, mit wie immer souveräner Führung durch Tobias und Michael. Herzlichen Dank!

Text: Big Matheis
Bilder Auswahl: Tobias Bailer

zu den Tourenberichten 2019